1992-93 Bericht.shtml 07.11.2012

Jahresbericht 1992/1993

Veranstaltungen

Das vom Fachbereich Vermessungswesen und Kartographie der Fachhochschule Karlsruhe (FH) und vom Ortsverein gemeinsam getragene Kartographische Kolloquium begann 1992/93 ausnahmsweise spät, denn es sollten nicht zu viele kartographische Veranstaltungen gleichzeitig angeboten werden (siehe „Sonstige Veranstaltungen in Karlsruhe“). Leider konnte der gewohnte Hörsaal im Kartographie-Gebäude der FH nicht genutzt werden. Die defekte Saalbestuhlung ist ausgebaut worden, da sie nicht mehr reparaturfähig war. Die beiden ersten Vorträge wurden in den Großen Hörsaal Bauwesen verlegt, der letzte in den Großen Hörsaal Elektrotechnik. Wenigstens konnten die Nachsitzungen im Goldenen Kreuz in gewohnter Umgebung stattfinden.

Dipl.-Ing. Hans Brunner, Dresden, sprach am 18. März 1993 über: „Otto von Odeleben – Ein Kartograph zwischen Napoleon und Sächsischer Schweiz“. Mit bemerkenswerter Ausdauer verfolgt Brunner seit 30 Jahren die Spuren eines sächsischen Offiziers aus Napoleons Stab. Durch seine Stellung als Adjutant und Dolmetscher befand sich von Odeleben in unmittelbarer Nähe des Kaisers der Franzosen. Die persönlichen Kontakte zu Napoleon, die topographische Geländeaufnahme und die Landschaft der Sächsischen Schweiz waren Odelebens Lebensinhalt. Seine „Topographische Karte der Gegend von Hohnstein und Schandau“ im Maßstab 1 : 23 500 ist die erste richtige und genaue Karte der Sächsischen Schweiz. Die feine und präzise Zeichnung, die unübertroffene Schraffendarstellung, die hohe Genauigkeit, die Fülle der Objekte und das reiche Namensgut dokumentieren ein Meisterwerk der Kartographie.

Am 25. März 1993 referierte Dr. Werner Stams, Dresden, über die „KARTA MIRA, World Map 1 : 2 500 000 – Das Weltkartenwerk der sozialistischen Länder“. Diese Weltkarte ist eine geographische Übersichtskarte, die nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet ist. Sie sollte einen, dem Maßstab entsprechenden; Überblick über die physikalischen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Erde vermitteln. Die KARTA MIRA wurde 1957 konzipiert. Bis 1978 sind in sieben Staaten 244 Blätter in zwei Ausgaben erschienen, aber teilweise nie veröffentlicht worden. Einige Blätter des Gebiets der Sowjetunion waren an diesem Abend erstmals zu sehen. Die Karte ist in zehn bis zwölf Jahren in verhältnismäßig kurzer Zeit fertig geworden. In der DDR wurden drei Europablätter und ganz Südamerika bearbeitet. Zuständig war der Kartographische Dienst in Potsdam. Heute liegt das gesamte Material bei der IfAG-Außenstelle in Berlin.

Im Rahmen des Kartographischen Kolloquiums fand am 1. April 1993 eine Besichtigung der Ausstellung IMAGO MUNDI MODERNA – Weltkarten des zweiten Entdeckungszeitalters“ statt. Die gut besuchte Führung hat Prof. Dr. Joachim Neumann übernommen, der viel Interessantes über die Weltkarten-Erzeugung von 1700 bis 1850 beizusteuern wusste. Die öffentliche Weltkarten-Ausstellung selbst wurde vom 18. Februar bis 17. April 1993 in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe (BLB) gezeigt. Den Eröffnungsvortrag „Höhepunkte des zweiten Entdeckungszeitalters“ hielt Prof. Dr. Johannes Dörflinger von der Universität Wien am 17. Februar 1993. Das erste Entdeckungszeitalter, das mit der Entdeckung Amerikas begann, ist durch das Columbusjahr 1992 in das allgemeine Bewusstsein gerückt. Dem zweiten Entdeckungszeitalter von 1700 bis 1850 widmete sich die Ausstellung der BLB mit 80 Weltkarten aus den Niederlanden, Frankreich, England und Deutschland. Die Karten dokumentieren die zunehmend naturwissenschaftlich fundierte Kartographie des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Ausstellung wurde von Irene-Annette Bergs, Prof. Dr. Heinz Musall und Prof. Dr. Joachim Neumann konzipiert. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog mit vielen Kartenabbildungen erschienen. Diese Veröffentlichung ist bei der BLB zum Preis von 25,- DM erhältlich.

Das vierte Kartographische Kolloquium folgte am 22. April 1993. Prof. Dr. Dietmar Grünreich vom Institut für Kartographie der Universität Hannover sprach über das Thema „Der Beitrag der Kartographie zum Aufbau und Einsatz von Geoinformationssystemen“. Der Redner erklärte die Fachterminologie, zeigte der Kartographie Konzepte und Lösungen auf, erläuterte Komponenten zum Ausbau der GIS- und Datenmodelle, sowie zur Informationsgewinnung mittels moderner Systeme. Das klassische Arbeitsfeld des Kartographen bleibt erhalten. Die kartographische Forschung zeigt heute, wie es künftig weitergehen wird. Am praktischen Beispiel wurde die dv-gestützte Generalisierung eines Ortsbildes für die Topographische Karte 1 : 25 000 nach der Deutschen Grundkarte 1 : 5 000 vorgeführt. Hierzu gehören Straßenachsenberechnung und Gebäudegeneralisierung (Umrissdarstellung, Zusammenfassung, Verdrängung). Korrigierende Eingriffe müssen interaktiv durchgeführt werden.

Am 19. Mai 1993 fand eine Exkursion in die Pfalz statt. In Rülzheim wurde die Pietruska Verlagsges. mbH besichtigt. Nach der Begrüßung durch Franz Pietruska führte Dipl.-Ing. (FH) Olaf Friedemann durch die digitale Kartographie. Hier sind leistungsstarke vernetzte DOS- und Macintosh-Rechner im Einsatz. Die Dateneingabe erfolgt unter anderem über Kamerascanner mit DTP-Station zur Bildverarbeitung und PostScript-Ausbelichtung. Ein Spezialgebiet ist die Herstellung von Forstkarten. Daneben steht die eigene Verlagskartographie mit Radwander- und Wanderkarten. Anschließend zeigte Wolfgang Reibold die konventionelle Kartographie. Außer den manuellen kartographischen Verfahren konnte man die Herstellung von Andrucken im 3M-Matchprint-Verfahren nach der Europaskala sehen. Der Betrieb hat insgesamt 22 Mitarbeiter. Später ging es zur Wein- und Sektprobe bei der Firma Willi Jung, einem kleinen Familienbetrieb in Kandel. Bei Schnitzel mit Kartoffelsalat sowie Pfälzer Saumagen mit Sauerkraut, dem Lieblingsgericht des Bundeskanzlers, war es nicht schwer, die Kartographen von der hohen Qualität des Pfälzer Weins zu überzeugen.

Prof. Dr. Neumann und Herr Hayn (v. l.)

Foto Helmut Lehmann

Prof. Dr. Neumann und Herr Hayn (v. l.)

Die Mitgliederversammlung tagte am 30. Juni 1993 im „Pavillon-Restaurant“ des Sportvereins Karlsruhe-Beiertheim. Im Namen des Präsidenten nahm der Vorsitzende zunächst die Ehrungen für fünfundzwanzigjährige Mitgliedschaft in der DGfK vor. Es lagen Ehrenurkunden für Reinhold Füg, Hermann Dewald, Dipl.-Ing. Karl Kollmer, Herbert Kratz und Dipl.-Ing. (FH) Peter Schönherr bereit. Anschließend gab der Vorsitzende einen Rückblick auf den Kartographentag in Köln. Über die durchgeführten Veranstaltungen hat der Schriftführer jeweils im Informationsblatt des Ortsvereins (OV-INFO) berichtet, welches regelmäßig den Kartographischen Nachtrichten beigelegt wird. Dann schilderte der Kassenwart die Kassenlage. Es folgte eine Information über die Planungen zum vierzigjährigen Bestehens des Ortsvereins. Abschließend diskutierte man die von der DGfK vorgesehenen Satzungsänderungen und erarbeitete hierzu eine Stellungnahme.

Kartographie-Vorführungstage

Gemeinsam mit dem Fachbereich Vermessungswesen und Kartographie der Fachhochschule Karlsruhe, dem CADCAM-Labor des Kernforschungszentrums und einschlägigen Firmen werden in loser Folge Kartographie-Vorführungstage durchgeführt. Diese Demonstrationsserie stellt dv-gestütztes kartographisches Arbeiten von der Dateneingabe, über die interaktive Verwaltung, Bearbeitung und Gestaltung, bis zur Anfertigung druckfähiger Originale vor. Im Mittelpunkt steht die Verbindung von Datenbanken und Geoinformationssystemen, sowie die Umwandlung vom Datenmodell in die kartographische Präsentation. Für Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltungen zeichnet Prof. Hans Kern verantwortlich. Veranstaltungsort ist das CADCAM-Labor des Kernforschungszentrums Karlsruhe.

Am 17. September 1992 und am 18. September 1992 (Wiederholung) wurde das pixelorientierte kartographische System Map-Sys durch die Ingenieurbüros Harms und Müller, beide Erlenbach bei Kandel, vorgestellt. Das zusammen mit der Digital Image Systems AG, Leutwil/Schweiz, entwickelte System eignet sich zur schnellen Digitalisierung analoger Karten. Als Beispiel diente die Bearbeitung einer topographischen Karte 1 : 25 000. Der Arbeitsablauf wurde erläutert von der Dateneingabe mittels Scanner oder Fremddaten ausgehend, über die Erstellung der Layerstruktur und das Zusammenfügen der Karte, die Farbseparation, die Ausgabe als Proof oder Fremddaten sowie die Filmausgabe durch direkte Ansteuerung von PostScript-Belichtern. Der gezeigte Lüscher-Scanner-Plotter verarbeitet Formate bis zu 120 cm x 200 cm. Filmausgaben können mit einer Auflösung bis zu 3200 dpi erfolgen. Die Anbindung des Systems an ATKIS ist möglich.

Ein Termin am 23. September 1992 fand im Rahmen des Tages der Offenen Tür der Technologiefabrik Karlsruhe statt. Diese Veranstaltung war gleichzeitig ein Programmpunkt des 19. Niederdollendorfer Arbeitskurses. Vorgeführt wurde das System RASCON, welches beim Institut für Angewandte Geodäsie (IfAG) zur Neuherstellung und Fortführung des Kartenwerks „Joint Operations Graphic 1 : 250 000“ auf PC-Basis dient. Die Diplom-Ingenieure Ronald Mau, Frankfurt am Main, und Wolfgang Mehlitz, Berlin, zeigten die interaktive Fortführung auf Rasterdatenbasis mit Methoden der Vektor- und Rasterdatenbearbeitung nach gescannten Folien und die Neuherstellung eines Kartenblattes. Die Teilnehmer bekamen einen Einblick in die tägliche Arbeit des Kartographen am EDV-Arbeitsplatz, in die Anpassung von RASCON an die herkömmlichen Arbeitsschritte und den Übergang vom folienorientierten zum objektgruppenorientierten Arbeiten.

Die Vorführung des Geoinformationssystems (GIS) PROCART der Condata GmbH, München, am 10. Dezember 1992 wurde in die EGLE-EDV-Service GmbH, Karlsruhe, verlegt. PROCART ermöglicht die Erfassung, Verwaltung, Aktualisierung und Auswertung raumbezogener Daten. Die Verknüpfung graphischer und alphanumerischer Daten empfiehlt das System für viele Fachbereiche. Herr Zinecker stellte die verschiedenen Anwendungsgebiete (zum Beispiel ALK und digitale Ortspläne) dar und erklärte Nutzen, Aufbau und Erstellung eines GIS, Ebenenstrukturierung, Verknüpfung der Sachdaten mit geographischen Daten, Datenbankauswertungen und deren Darstellungsarten auf verschiedenen Ausgabegeräten. Anschließend präsentierte Frau Benecke die Arbeitsergebnisse. Herr Ganninger informierte über die angebotenen Schnittstellen. Das System verfügt über bidirektionale Schnittstellen zu SICAD, AUTOCAD und BGRUND. Den Abschluss des Tages bildete ein Rundgang durch den Betrieb, wo PROCART in vielen Beispielen im Einsatz zu sehen war.

Am 27. Mai 1993 war die Schrieber Software GmbH, Herzogenrath, mit der Vorführung der automatisierten Kartenherstellung auf Post-Script-Rasterbelichtern zu Gast. Breiten Raum nahm die digitale Entzerrung eines analogen Luftbildes mit Kontrastausgleich an einer Arbeitsstation von Silicon Graphics mit dem Programm ORTHOPIX ein. Das so gewonnene farbige digitale Orthophoto kann gespeichert und archiviert werden. Die Präzisionsausgabe erfolgt auf einem PostScript-Rasterbelichter. Hierbei erzeugt man ohne Montage vier kopierfähige Filme für den Vierfarbendruck. Als Anwendungsgebiet ist die Herstellung von Filmoriginalen für den Ein- und Mehrfarbendruck von Land- und Luftbildkarten zu nennen. Die digitale Landkarte wird in einer modifizierten AUTOCAD-Version bearbeitet. Die Übernahme von Fremddaten (zum Beispiel SICAD) in das System ist möglich. In der Diskussion wurden die jeweiligen Vor- und Nachteile der Programme FreeHand und AUTOCAD herausgearbeitet.

Sonstige Veranstaltungen in Karlsruhe

Dipl.-Ing. Helmut Minow, Dortmund, eröffnete eine Reihe vermessungs- und kartographiehistorischer Kolloquien des Fachbereichs Vermessungswesen und Kartographie der Fachhochschule Karlsruhe am 21. Oktober 1992 mit dem Thema „Historische Vermessungsinstrumente im Altertum und im Mittelalter“. Weiter ging es am 25. November 1992 mit Univ.-Prof. Dr.-Ing. Kurt Brunner, München: „Erste Karten Ostafrikas – Ein Beitrag zur Forschungs- und Kolonialkartographie um die Jahrhundertwende“. Am 13. Januar 1993 sprach Prof. Dr. Heinz Musall, Karlsruhe, über „Aufnahmen der französischen Militärkartographie am Oberrhein vom Ende des 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts“.

Christoph Columbus hat vor 500 Jahren Amerika entdeckt. Als Beitrag der Fachhochschule Karlsruhe zum Columbusjahr fand eine fachübergreifende Vortragsreihe statt. Am 17. November 1992 referierte Prof. Dr. Joachim Neumann über „Das Weltbild der Antike und des christlichen Mittelalters“. Ausgehend vom geozentrischen Weltbild des Ptolemäus, in dem sich Sonne, Mond und Planeten in Sphären um die Erde drehen, führte der Vortrag zum kopernikanischen Weltsystem, welches erst im 19. Jahrhundert endgültige Anerkennung fand. Kopernikus wurde sogar erst im Jahre 1992 in Rom freigesprochen. Der Redner versuchte aufzuzeigen, was Columbus im Kopf gehabt haben mag, als er den kühnen Entschluss fasste, den Seeweg nach Asien in Richtung Westen einzuschlagen. Tatsache ist, dass die alten Handelswege nach Indien durch das Osmanische Reich versperrt waren und man deshalb versuchte, neue Wege nach Südostasien zu finden.

Prof. Dr.-Ing. Uwe Girndt behandelte am 24. November 1992 das Thema „Der Westweg nach Asien – Ein Problem aus der Zeit des Columbus“. Der Entdecker wollte nach China reisen, das man damals als zu „Indien hinter dem Ganges“ gehörend einstufte. Von der Kugelgestalt der Erde ausgehend, berechnete man die Länge des Westwegs nach „Indien“ aus geographischen Koordinaten. Columbus verwendete die Werte der Kanarischen Inseln, seinem Ausgangspunkt, und die der Stadt Hangtschou an der chinesischen Küste, seinem Ziel. Neben der Karte des Ptolemäus und Marco Polos Reiseberichten standen weitere Berechnungsunterlagen zur Verfügung. Leider summierten sich die Fehler der unzulänglichen Grundlagen und Annahmen, so dass es zum bekannten Irrtum kam. Allerdings erreichte Columbus dort Land, wo er es vermutet hatte. Wäre er nicht in Amerika gewesen, hätte er noch mindestens weitere 90 Tage gebraucht.

Wer nicht dabei war, hat etwas verpasst, als Prof. Dr. Gerhard Barth am 1. Dezember 1992 „Die Abenteuer des Christoph Columbus“ schilderte. Der Große Hörsaal war voll besetzt. Gespannt lauschte man den äußerst lebendig vorgetragenen Ausführungen. Barth behandelte die Planung der Fahrt sowie die zur Verfügung stehenden Karten und Navigationshilfen. Durch das Tagebuch des Columbus ist viel über die Entdeckungsfahrt selbst und drei weitere Reisen in die Neue Welt bekannt. Den Spaniern ging es einerseits um die Ausbreitung des Christentums, andererseits aber von Anfang an um die zu erwartenden Reichtümer, also um „Gott und Gold“. Höhepunkt im Leben des Columbus war sein Triumphzug durch Spanien nach der ersten Fahrt und der Empfang beim Königspaar. Columbus hat nicht nur einen neuen Kontinent entdeckt, sondern auch die Missweisung der Kompassnadel. Auf Anhieb hat er den für die Segelschifffahrt günstigsten Seeweg nach Amerika über die Kanarischen Inseln gefunden.

Das Geodätische Institut und das Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung der Universität Karlsruhe haben wieder zu den Veranstaltungen des Geodätischen Kolloquiums eingeladen. Aus kartographischer Sicht interessierte besonders der Beitrag von Dipl.-Ing. Eberhard Herdeg, Vermessungsdirektor beim Landesvermessungsamt Baden-Württemberg in Stuttgart, der am 5. Februar 1993 über „Die amtliche Kartographie zwischen analoger und digitaler Karte“ sprach.

Helmut Lehmann